Am 9. November 1988 hielt der damalige Präsident des Deutschen Bundestages Philipp Jenninger, eine Gedenkrede, die für ihn „zum Verhängnis“ wurde: seine Ausführungen, ein Großteil der Deutschen sei zumindest bis 1938 Hitler freiwillig gefolgt, wurden als Apologie des Nationalsozialismus mißverstanden. Im Kunstbereich waren mit dem Auftritt von Kiefer und Baselitz im Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig 1981 sowie im Zusammenhang mit den Ausstellungen Ästhetische Faszination im Faschismus, Berlin 1987, und der Hamburger Ausstellung Geschichte in Arbeit – Arbeit an der Geschichte, 1988, ähnliche Mißverständnisse heraufbeschworen worden. Die Künstler Federle, Merz und Förg wurden mit ihren Ausstellungen der 80er Jahre in vergleichbarer Weise zum Gegenstand öffentlicher Polemik wie Jenninger.
Natürlich besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den öffentlichen Äußerungen von Künstlern und Ausstellungsmachern einerseits und denen von gewählten Repräsentanten gesellschaftlicher Institutionen andererseits. In der Sache aber verwendeten Jenninger und die Künstler die gleichen Strategien, die Ignatz Bubis, einer der wenigen eigenständig urteilenden deutschen Zeitgenossen, als „Stilmittel des vorgestellten Miterlebens“ würdigte. Wenn solches vorgestellte Miterleben wirksam ist – das wußten alle Dramatiker seit Euripides’ Zeiten – dann fasziniert es die Zuhörer, Zuschauer oder Betrachter. Anders wäre kaum zu verstehen, warum Millionen TV- und Kinokonsumenten täglich unzählige blutige Krimis anschauen bzw. warum in Ländern, die sich ihrer Nichtverführbarkeit zu totalitären Praktiken sicher zu sein behaupten, bis auf den heutigen Tag Filmserien konsumieren, in denen vornehmlich das totalitäre Regime der Nazis in Aktion gezeigt wird. Man kann dieses auffällige Verhalten von durchschnittlichen Bürgern der Gesellschaften unterschiedlichster politischer Systeme als „aktive Immunisierung“ begreifen, obwohl die Diskussion über Gewaltdarstellungen in öffentlich zugänglichen Medien mehr und mehr dazu tendiert, den Immunisierungseffekt zu bestreiten und den Nachahmungseffekt zu betonen.
Der Begriff „Faszination“ (des Bösen, der Macht – gar der totalitären), den auch Jenninger verwandte, wurde seit der Romantik von Märchenerzählern, Literaten, Komponisten und bildenden Künstlern herausgehoben, um die Ambivalenz und Ambiguität von Affektkommunikation zu kennzeichnen. Sie bemühten sich, durch ästhetische Mittel den schmalen Grat zu halten, über den hinweg Lust in Ekel, Mitleid in Wut, Freude in Schrecken umschlägt.
Die Psychologen des 20. Jahrhunderts bestanden darauf, daß diese Bedingungen der Affektkommunikation für jedes Individuum unabhängig von Stand und Bildung gelten. Wer sich auf die Mehrwertigkeiten und Doppeldeutigkeiten nicht einzulassen bereit ist, riskiert gravierende psychische Beschädigungen. Auch die vermeintlich harmlose Leugnung und Verdrängung der Faszinosa beherrscht die Individuen selbst dann, wenn sie nicht aktiv handeln, sondern sich als Opfer der Handlungen anderer zu betrachten geneigt sind.
Jedoch nicht nur für die Affektkommunikation, sondern auch für die kognitiven Leistungen ist die Doppelgesichtigkeit der Sprachbilder und Gedankenfiguren zu berücksichtigen. Das haben die Utopisten des Sozialen und Politischen zum Thema gemacht. Seit Platon mit seinen Schülern in Syrakus einen Idealstaat erfolglos zu formieren versuchte, erfuhren die Begründer von Idealstädten z.B. in Palma Nova, Pienza, Sabbioneta, der Saline von Chaux, sowie die Begründer von Idealgesellschaften, z.B. der Jesuiten, der Wiedertäufer, der französischen Revolutionäre und der Communarden von Paris, der Lebensreformer und natürlich die internationalsozialistischen wie die nationalsozialistischen Reichestifter, daß gedankliche Modelle nicht eineindeutig verwirklicht werden können. D.h., auch wenn man Menschen mit positiv bewerteten Modellen konfrontiert, ist die Wirkung dieser Vorbilder nicht auf die gewünschten Nachahmungseffekte zu beschränken. Zwischen intrapsychischen, also auch den kognitiven Operationen und den kommunikativen Handlungen besteht von Natur aus eine prinzipielle Differenz. Die Differenz zwischen „Gedanke und Tat“, „Geist und Leben“, „parlamentarischer Schwatzbude und sozialer Aktion“ zu eliminieren, scheint nur durch Ausübung rigider Zensur, durch Dogmatismus und blinden Gehorsam möglich zu sein. Macht wird totalitär, wenn sie die 100prozentige Übereinstimmung von Programmatik und Handeln zu garantieren versucht. Heute wird diese Absicht, vollständige Identität zwischen Gedanken und Tat zu erzwingen, überwiegend als fundamentalistisch gekennzeichnet, und zwar gleichermaßen für die Bereiche Wirtschaft und Politik wie für die Religionen.
Daß Philipp Jenninger bei einer Gedenkrede zur „Reichskristallnacht“ im Deutschen Bundestag den Mechanismus totalitärer, fundamentalistischer Politik nicht ausdrücklich ansprach, sondern indirekt als Selbstverständlichkeit zugrunde legte, müßte eigentlich gerade von denjenigen Deutschen verstanden worden sein, die derartiges Gedenken nicht bloß rituell absolvieren. Denn die deutsche Geschichte zeitigte, stärker als die der Franzosen, Engländer oder Amerikaner, desaströse Resultate des Zusammenspiels von Begriffsgläubigkeit und blindem Gehorsam, von Buchstabentreue und Dienst nach Vorschrift. Heinrich Heine war der Erste, der diese besondere Anfälligkeit der Deutschen untersucht hat. Seinem Urteil nach haben die realen Machtverhältnisse die Deutschen seit dem 30jährigen Krieg gezwungen, ihre Gestaltungskraft auf die Entfaltung von spekulativen Visionen in der Musik, Philosophie, Literatur und Wissenschaft zu konzentrieren, auf den Bau von papiernen Wolkenkuckucksheimen. Ihre Philosophen hätten den Deutschen die überwältigende Macht von Ideen gegenüber der banalen politischen Realität suggeriert, so daß man in Deutschland philosophische und künstlerische Ausgedachtheiten für die Wirklichkeit halten konnte.
Diese „deutsche Krankheit“ hat sich in unserem Jahrhundert weltweit verbreitet: in der Sowjetunion Stalins oder im Kambodscha des Pol Pot, im ehemaligen Jugoslawien oder in Maos China. Und die Therapie? Seit der Erfindung der Pockenimpfung und der Homöopathie heißt sie eben aktive Immunisierung; seit Nietzsche heißt sie Therapie durch Symptomverordnung.
Symptomverordnung als aktive Immunisierung betrieb der ehemalige Innenminister Höcherl, als er den Deutschen klarmachte, daß man nicht jeden sozialen Tatbestand „mit dem unterm Arm getragenen Grundgesetz“ in buchstäbliche Übereinstimmung bringen könne, wenn man nicht in totalitären Dogmatismus verfallen wolle.
Symptomverordnung zur Immunisierung gegen die Flucht in Wahnwelten betrieb Klaus Staeck mit seinen Plakatsatiren, als er die Deutschen warnte, „daß die SPD den Arbeitern ihre Villen im Tessin wegnehmen wolle“ oder mit der Entwicklungshilfe afrikanischen Despoten goldene Badewannen finanziere. Symptomverordnung zur Immunisierung betrieb die Düsseldorfer Künstlergruppe Die Langheimer, als sie zur Gründung der idealen Lebensgemeinschaft „Kloster Langheim – Lebensborn e.V.“ aufrief. So gut wie alle Reaktionen auf diese kathartischen Strategien des vorgestellten Miterlebens zeigten, wie schwer man sich mit der Natur der Affektkommunikation und der Biologie der Erkenntnis tat – und tut! Wer einen höchst wünschenswerten Sozialstaat auf Biegen und Brechen gegen die wirtschaftliche Realität durchsetzen will, traut der Macht des Wünschens zu viel zu. Wer die europäische Währungseinheit buchstabengetreu nach dem Maastrichter Vertrag erzwingen will, wird scheitern. Wer die Versprechungen der Konsumreklame für bare Münze nimmt, wird spätestens am Kreditschalter erfahren, daß Phantasie und Wirklichkeit nicht per Agenturzauber ineinsgesetzt werden können. Wer glaubt, ethnische religiöse, soziale Ausgrenzung per Dekret einer politisch korrekten Sprache abschaffen zu können, versucht, den Bock zum Gärtner zu machen.
Deutschlands Geisteshelden
Anselm Kiefer versammelt derartige Böcke als deutsche Geisteshelden im Verdrängungsraum des Bürgerhauses, dem Dachboden. In ihm hütet man, was nicht in die gute Stube gehört, was als überständiges Gerümpel die Lebensgeschichte der Familie bewahrt. Unter dem Dom der Dachbalken, die die ursprünglichste Anmutung des Bauens aufrechterhalten, stöbern Kinder und Gelehrte mit Vorliebe in der erregten Erwartung, ein Geheimnis zu entdecken: Hölderlinsche Manuskripte oder die Liebesbriefe der Großmutter. Die Dachböden wurden zur Ruhmeshalle des Verborgenen wie des zu Verbergenden. Kinder verstecken dort unter dem Schutzschild rituellen Spielens ihr Wissen um Sachverhalte, die ihnen nach elterlichem Willen noch unzugänglich bleiben sollten. Erwachsene verbergen unter dem roh behauenen Gebälk ihre verbotenen Melancholien und Sehnsüchte. Richard Wagner translozierte diese Kultstätte der bürgerlichen Imagination ins Theater. Bayreuth sollte ein schnell gezimmerter Holzbau sein, die Bühnenbilder Rahmenbauten der Phantasie, deren Kulissenhaftigkeit stimulierender wirken würde als die Salons der Führungsschicht. In solchen Bauten mit dem Feuer zu spielen, blieb eine Metapher, nicht nur bis zur Einführung der elektrischen Beleuchtung, die Wagner immerhin schon einsetzte, um den Heiligen Gral bei der Uraufführung des Parzifal magisch erstrahlen zu lassen. Die Feuerstelen mit qualmenden Salatschüsseln haben sich bis ins Dekor der heutigen Olympischen Spiele erhalten. Die alljährlichen Kultfeiern der Nationalsozialisten zum 9. November inszenierten minutiös eine Prozession zwischen erhabenen Feuerzeichen von der Feldherrnhalle zum Königsplatz in München. Dort wurden vor den klassizistischen Grabtempeln (der Troostschule) die Namen der „gefallenen“ Tathelden des Ersten Marsches auf die Feldherrnhalle von 1923 aufgerufen und, nach militärischem Appell-Zeremoniell, von den angetretenen SA-Leuten im kollektiven Echo als Anwesende bestätigt. Solche Vergegenwärtigung der Toten evoziert Kiefer in seinem kulissenhaften Scheunentempel dermaßen, daß der Betrachter des Bildes aufspringen möchte, um die lodernden Flammen auf den Opferschalen daran zu hindern, den gesamten Bau zu vernichten. Die gewollte Nähe von rühmendem Erinnern und Risiko der Vernichtung will aber bis auf die Ausnahme Richard Wagners zu keinem der per Inschrift in die Gegenwart zurückgerufenen Geisteshelden passen: Robert Musil oder gar Adalbert Stifter, Joseph Weinheber oder Theodor Storm haben mit ihren Werken und Taten kaum je den Zusammenhang von Schöpfung und Zerstörung beschworen, bestenfalls den Zusammenhang von verklärendem Erinnern und historischer Fälschung. Hat Kiefer in diesem Bild von 1973 die Erweckung Wagners durch die Nennung von Namen abmildern wollen, deren Träger keineswegs als gärtnerisch tätige Böcke, also als Geisteshelden, verstanden wurden? In späteren Vergegenwärtigungen von toten Größen (Wege der Weltweisheit) tauchen neben den reinen Künstlerseelen auch Fürsten, Schlachtenlenker, philosophische Führer und Wagner-adäquate Kulturheroen wie Kleist oder Stefan George auf. Die wahrscheinlichste Antwort lautet, daß Kiefer sich als Maler selber in den Zusammenhang von Faszination durch das Verbotene und der eröffnenden Darstellung der Tabus stellen wollte. Darauf verweist sein grandioser ikonographischer Topos Malerei der verbrannten Erde, durch den generell die Analogie zwischen staatengründenden und staatenstürzenden Taten und dem künstlerischen Arbeiten hergestellt wird. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Kiefer in anderen Motivserien gleich den Künstler schlechthin, also den unbekannten Künstler, in die Denkmalwürdigkeit einsetzt – so wie man im 20. Jahrhundert nicht mehr bestimmten, namentlich genannten Soldaten, sondern dem unbekannten Soldaten, dem generalisierten Krieger Memoriale stiftet. Wenn Kiefer in den Tempelgrüften des Königsplatzes die Sarkophage der Toten des 23er Marsches durch eine gesockelte Paletten-Stele ersetzt, operiert er mit subtiler Ironie. Denn der auf Verehrung großer Meister basierende Kulturbetrieb und Konkurrenzkampf haben zur Voraussetzung, daß zahllose Künstler/Maler es eben nicht zu namentlichem Ruhm bringen. Sie sind als unbekannt Bleibende die notwendigen Opfer für die Möglichkeit, andere namentlich herauszustellen.
In dem Tableau Kunersdorf führt Kiefer alle genannten Themenaspekte zusammen. Die Bildoberfläche besteht bis auf eine Aussparung in der Mitte der unteren Bildhälfte aus einer Bleifolie, deren zeichenhafte Anmutung die Landschaft imaginieren läßt, in der Friedrich der Große seine schwerste Niederlage im Siebenjährigen Krieg erlitt. In die Aussparung der Bleifolie ist ein Foto Kiefers aus seiner Arbeitsserie Besetzungen des Jahres 1969 eingebracht. Besetzt wurden historische Ereignisplätze und die Erinnerung an sie durch den Zeitgenossen Kiefer, um in der „Form vorgestellten Miterlebens“ sich selbst und nicht nur die historischen Täter der Gewalt vergegenwärtigender Memorierung auszusetzen.
Auch Georg Herold operiert mit der namentlichen Nennung einer deutschen Geistesgröße und den vielen Unbekannten. Seine Goethe-Latte, in betont unprätentiösem Material, in möglichst beiläufiger Gestaltung, eben als Dachlatte, wird aber zum dadaistischen Maß der „Scheißer“, vormals Spießer. Denn in Deutschland ist, mit Ausnahme der unbekannten Soldaten, die Rolle der erfolglosen anonymen Träger der Massenkultur niemals gewürdigt worden. Von den strahlenden Größen her wirkten sie wie Versager oder gar als bedeutungslose Nichtskönner. Der unbekannte Arbeiter, Wissenschaftler oder Konsument wurde nicht für denkmalwürdig gehalten. Trümmerfrauen, KZ-Insassen und Bombenkriegsopfer wurden mehr oder weniger dem Gedenkpotential des anonymisierten Kriegsgeschehens zugeordnet. Daß ein animistisches Totem-Tier wie der Hase von Dürer bis zu Joseph Beuys die deutsche Lebenswelt bevölkerte, vergegenwärtigt Herold mit seiner Dachlattenskulptur des Dürer-Hasen. Man kann sich ohne weiteres vorstellen, welche Wirkung von unserer politischen Ikonographie wieder ausgehen könnte, wenn sich etwa eine Bürgerinitiative dafür stark machen würde, den Dürer-Hasen ins Staatswappen zu bringen und diesem Inbegriff deutscher Selbst- (und Fehl-)einschätzung öffentliche Denkmäler zu setzen (siehe das Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel) (1). Dieses Zeichen würde zugleich das kleingärtnerische Gemüt der Schrebergartenkulturisten wie die wirklichkeitsverkennende Arroganz des Volkes repräsentieren, das von sich glaubt, jedes Rennen mit Konkurrenten selbstverständlich siegreich bestehen zu können.
Machtgestützte Innerlichkeit und tränenselige Selbstergriffenheit charakterisierten deutsche Mentalität. Mit Beethoven und Schiller Millionen umschlingen zu wollen und sich dabei aber als Dirigent der weltumspannenden Verbrüderung eine Sonderrolle vorzubehalten, entspricht dem Bedürfnis, vor der Geistesgröße Beethovens zu erschauern, ihn aber zugleich als musikalisches Appetithäppchen im eigenen Wohnzimmer zu konsumieren. Dieses Bedürfnis veranschaulicht Diter Rot mit seiner Wegwerfskulptur von massenhaft in einer Badewanne gehamsterten Beethovenbüsten aus Schokolade. Ein drastischer Verweis auf das Götterverspeisen in religiösen und kulturellen Kontexten. Die Christen und die Salzburger wissen schon, warum sie Oblaten und Mozartkugeln nicht in antropomorpher Gestalt vertreiben, sondern sich mit der Bildhaftigkeit zufriedengeben.
Im Lüpertz’schen Triptychon Schwarz-Rot-Gold I von 1975 wird auf eine Strategie verwiesen, mit der man seit der Antike Kampfzeichen zugleich als retrospektive Erinnerungs- wie als prospektive Warnmale nutzt. Die Römer brachten die ihren Gegnern abgenommenen Waffenteile, Fahnen, Standarten etc. an ihren Tempeln an. Von diesen Trophäen leitete sich der apotropäische Zeichengebrauch ab (schließlich sind Gemälde auch Zeichengefüge), eine Weiterentwicklung des Perseus-Schildes, in dessen polierter Oberfläche sich die mit tödlichem Blick versehene Medusa selbst ansah und vernichtete. Das Apotropaion warnt nicht nur den Krieger vor Selbstüberschätzung. Die Verwendung des Apotropaions soll darüberhinaus den Ernstfall überhaupt verhindern, indem man sich für ihn wappnet. So wurden Lüpertz’ hymnische dithyrambische Vergegenwärtigungen von Kriegszeichen für die schwarz-rot-goldene Republik zum Schutzschirm, denn sprichwörtlich nimmt man beim Verlassen des Hauses einen Regenschirm mit, weil es dann garantiert nicht regnen wird. Sogar die Apokalypse hat Lüpertz noch dithyrambisch zum Apotropaion umgeformt (1973). In den großartigen Bildserien der Dithyramben zwischen 1966 und 1974 aktivierte Lüpertz den Vitalismus und die spirituelle Euphorie selbst an Dachpfannen und Spargelbeetreihen. Die Dithyramben stellen in der verklärten Erhabenheit noch den banalen Kern des sozialen Pathos heraus, ohne ihn zu diskriminieren: die Sehnsucht und die Notwendigkeit, endlich zur Welt „ja“ sagen zu können, obwohl keiner ihrer Bestände die vorbehaltlose Zustimmung rechtfertigt.
(1) vgl. B. Brock: „Der Hase im Staatswappen“, in: BK, S. 120 ff.; und B. Brock: „Das Deutschsein des Deutschen Design“, in: BK, S. 384 f.