Die Menschheit erfand Steinfußböden, bizarre Marmorböden, Mosaikböden aus duftendem und zartem Holze und aus Stroh, Backsteinböden, Böden aus Rosenblättern, Böden aus lauwarmen, schweigsamen Teppichlagen, aus Teppichen, die unserem Körper und auch unserer Nacktheit freundlich gesonnen sind, ja die unserer ganzen Existenz freundlich gesonnen sind. Die Menscheit hat, indem sie all diese Fußböden schuf, stets versucht, jene besonderen Orte zu kennzeichnen, an denen man sich geschützt fühlen könnte, wie auch alle jene Dächer, die erschaffen wurden.
Es sind jene Orte, an denen uns bewußt wird, daß unsere Füße das Gewicht unseres mehr oder weniger banalen Körpers tragen, jenes Gewicht unserer eigenen Existenz. Vielleicht ist das der Grund, aus dem unendlich viele Menschen auf der Erde, sobald die Sonne am Horizont verschwindet und der Finsternis ihren Platz einräumt, einen Teppich auf der Erde ausbreiten und sich verneigen, um Barmherzigkeit für sich zu erbitten.
[S. 38]
„Die textilen Webklassen der Dessauer Schule beschäftigen sich mit der Gestaltung von Bodenbelägen, die durchaus als Teil des Gesamtentwurfes eines Hauses anerkannt waren. Damit entsprachen sie konsequent dem ganzheitlichen Ansatz des Bauhauses. Erst jüngst wieder als Teppichböden auf den Markt gebrachte Bauhaus-Entwürfe belegen den Rang, den das Bauhaus einst dem Fußboden zubilligte.“ (Sottsass, Ettore; aus: Prolog, in: Bodenreform 3, 1995.)
„Die im wesentlichen die Raumwirkung bestimmenden Faktoren, nämlich der Grundriß, die Höhe, die Wände, sowie die Möblierung und die Textilien bedürfen einer auf Harmonie und Ordnung beruhenden Zusammenfügung. Daß Teppiche diesen Raumgesetzen in besonderem Maße unterliegen, ist sowohl bei bedingt durch ihre zumeist großflächigen Formate als auch dadurch, daß ihre Farben und Muster zum vorherrschenden Dekorationsmittel werden können.“ (Güßbacher, H; aus: Das Teppichbuch, 1996.)
Abbildungen:
S. 36/37: Teppichboden Vorwerk, Flower Edition, Paul Wunderlich, 1998.
"Die Blätter fallen, fallen wie von weit, / als welkten in den Himmeln ferne Gärten; / sie fallen mit verneinender Gebärde. / Und in den Nächten fällt die schwere Erde / aus allen Sternen in die Einsamkeit./ Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. / Und sieh dir andre an: es ist in allen. / Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält." (Rilke, Rainer Maria: Herbst, Das Buch der Bilder, Des ersten Buches zweiter Teil, 1902)
S. 38/39: Fotos von bunten Herbstblättern und einem gelb-orange-schwarz karierten Teppich.
„In ein Zimmer, dessen rosa getünchte Wände in einer breiten bunten Zierleiste auch ein kaum bemerkbares blaues Muster aufweisen, wird eines Tages ein großer blauer Teppich gehängt. Und nun sollte man die kleinen blauen Muster sehen, wie sie mit einem Male leben und leuchten!“ (Morgenstern, Christian; aus: Aphorismen-Kunst, 1913.)