Im Jahre 5 n. Chr. in Tarsus geboren, erlernt der Saulus genannte Sohn eines strengen Pharisäers – wie es die Thora vorschreibt – das Handwerk seines Vaters als Zeltteppichweber. Vom Vater vererbt, besitzt er das römische Bürgerrecht und geht zu seiner weiteren Ausbildung nach Jerusalem. Sein durchgreifendes Temperament verbindet ihn den fanatischen, die Christen verfolgenden Pharisäern. Saulus erhält den Auftrag, in Damaskus weitere Verfolgungen zu leiten: „Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe gen Damaskus an die Schulen, auf daß, so er etliche dieses Weges fände, Männer und Weiber, er sie gebunden führte gen Jerusalem. Und da er auf dem Wege war und nahe an Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel, und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken. Und er sprach mit Zittern und Zagen: Herr, was willst du, daß ich tun soll? Der Herr sprach zu ihm: Stehe auf und gehe in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen und waren erstarrt; denn sie hörten die Stimme und sahen niemand. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen auftat, sah er niemand. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn gen Damaskus; und er war drei Tage nicht sehend und aß nicht und trank nicht.“ (Apg. 9, 1-9) Die Verwandlung eines Saulus in einen Paulus wurde eine verallgemeinernde Kennzeichnung für Bekehrungen. Das umgekehrte Motiv der Verwandlung eines Paulus in einen Saulus schildert Fontane. Effi Briest schwört in einer dramatischen Szene den gesellschaftlichen Konventionen ab, die sie zuvor anerkannte, weshalb sie bereit war, ihre Handlung als ein Vergehen zu bereuen: „Kaum aber, daß Roswitha draußen die Tür ins Schloß gezogen hatte, so riß Effi, weil sie zu ersticken drohte, ihr Kleid auf und verfiel in ein krampfhaftes Lachen. ... Da neben dem Fenster ... lag eine Bibel und ein Gesangbuch. Sie griff danach, weil sie was haben mußte, vor dem sie knien und beten konnte, und legte Bibel und Gesangbuch auf den Tischrand, ...und mit einem heftigen Ruck warf sie sich davor nieder und sprach halblaut vor sich hin: »O du Gott im Himmel, vergib mir, was ich getan; ... ich war kein Kind, ich war alt genug, um zu wissen, was ich tat. Ich hab’ es auch gewußt, und ich will meine Schuld nicht kleiner machen, aber das ist zuviel. Denn das hier, mit dem Kind, das bist nicht du, Gott, der mich strafen will, das ist er, bloß er.... Das hat er dem Kinde beigebracht, ein Schulmeister war er immer. ‚O gewiß, wenn ich darf.’ Du brauchst nicht zu dürfen; ich will euch nicht mehr, ich haß’ euch, auch mein eigen Kind. Was zuviel ist, ist zuviel. Ein Streber war er, weiter nichts. – Ehre, Ehre, Ehre ... Dummheit war alles und nun Blut und Mord. Und ich schuld.... Mich ekelt, was ich getan; aber was mich noch mehr ekelt, das ist eure Tugend. Weg mit euch.« Als Roswitha wiederkam, lag Effi am Boden, das Gesicht abgewandt, wie leblos.“ (Fontane, Theodor; aus: Effie Briest, 1895)
Abbildung:
S. 43: Bekehrung Pauli, Caravaggio, Rom, 1600/01.
Nach einem bewegten Künstlerleben, in dem Caravaggio ebenfalls eine Bekehrung nach dem Beispiel des Paulus durchmachte (er trat sogar dem Malteserorden bei), stirbt er als Gefangener in Porto d’Ercole bei Grosseto auf nacktem Boden, wie er ihn für die Bekehrungsszene und ihr Pendant, die Kreuzigung Petri, dargestellt hatte.