S.134: ... die Sonne, die von einer Wolke bedroht war [Auszug aus 'Swanns Welt', Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd.1], Marcel Proust, 1913:
... die Sonne, die von einer Wolke bedroht war, aber noch mit aller Kraft auf den Platz und in die Sakristei hineinprallte, färbte die roten Teppiche, die für die Feierlichkeit auf dem Boden ausgebreitet waren und auf denen Madame de Guermantes lächelnd einher-schritt, mit leuchtendem Geranienrot und überdeckte gleichzeitig das Wollgewebe, aus dem sie bestanden, mit etwas rosig Samtigem, einem Überzug von Licht, jener Art von warmer Zärtlichkeit des Tons, von ernster Süße im Prunk und in der Freude, die für einzelne Stel-len im Lohengrin Wagners und gewisse Bilder Carpaccios charakteristisch ist.
S.134: Ein alter Tibetteppich, in: Mein Wunder, Else Lasker-Schüler, 1911:
Deine Seele, die die meine liebet
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet
Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.
Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit
Maschentausendabertausendweit.
Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.
S.134: Doch halt, Was seh' ich? [Auszug aus: Das Festmahl der Belsazer], Calderon de la Barca, 1664:
Doch halt, Was seh' ich? Ist's kein Zauberbild?
Ein Weib göttlicher Schönheit, stolz und herrlich!
Für eine Lebende zu viel der Ruhe,
Doch für'ne Tote zu viel Seele noch.
Hier auf dem bunten Blumenteppich, der ihr
Smaragdnes Bett ist, liegt sie hingestreckt.
Mein Leben noch sah ich kein schöner Weib!
(...)
Ich weiß nicht, wag' ich es, ihr nach zu treten?
Mir wird nie bang, und wahrlich nicht umsonst;
Denn was steht in der Nähe mir bevor,
Wenn die mich aus der Ferne schon entzündet?
S.134: Das lila Beet da, das sind Levkojen [Auszug aus: Cécile], Theodor Fontane, 1886:
„Das lila Beet da das sind Levkojen,
nicht war?“ Und das rote“, fragte Rosa,
„Was ist das?“ „Das ist 'Brennende Liebe'“
„Mein, Gott so viel.“ „Und doch immer
noch unter der Nachfrage. Muß ich Ihnen
sagen, meine Gnädigste, wie stark der
Konsum ist?“ „Ah“, sagte Cécile mit etwas
plötzlich Aufleuchtendem in ihrem Auge,
das dem sie scharf beobachtenden Gor-
don nicht entging und ihn, mehr als alle
seine bisherigen Wahrnehmungen, über
ihre ganz auf Huldigung und Pikanterie
gestellte Natur aufklärte.
S.135: Abb. Flower Edition, First Edition [Vorwerk: Kunst der Gegenwart], Rosemarie Trockel, 1998:
Die Künstlerin Rosemarie Trockel vergegenwärtigt im Teppichboden mit Rosenmuster (First Edition) das Rosenbett der Gastmahlsfreunde, der Minnediener, der Maitressen und Geliebten – im Rokoko mit dem so praktischen Effekt, die penetrante Ausdünstung ungewaschener Leiber zu überdecken.