In der Hamburger Hochschule für bildende Künste nahmen die „Drei Einigen“ meine Geruchsspur auf: Ein Geschmäckle von Arroganz, einen Gewesenenhauch und Tränensäure! Ich hielt ihnen vor, dass der Programmtitel Wahrheit ist Arbeit direkt von meinen Schultafeln abgeschrieben sei, denn seit 1967 firmierte ich mit vielen Action teachings unter dem Titel „Auch Liebe ist Arbeit – für die Kunst hat der Spaß längst aufgehört.“ Das hatte ich einst den Beuysakademisten in Düsseldorf vorgeschrieben, um dem Fluxusflohhusten mit Belustigung entgegenzutreten!
Ich kaufte Büttners imitatio duereri, also seine in der Nachfolge Dürers stehenden Holzschnitte über höchstrichterliche Demonstrationen von Dummheit als Basis des Rechtswesens, schrieb einen längeren Beitrag zu Kippis erster Museumsausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, 1986, und beteiligte mich im selben Jahr an der die Kollektivgemütskraft bewegenden Ausstellung Können wir vielleicht mal unsere Mutter wiederhaben! im Kunstverein zu Hamburg. Meine historiographische Klagegeste hieß: „Über deutsche Mütter und Frauen als gern verschwiegenes Personal der Herrschaft von Wahnsinn als Methode“.
Mit Kippis Triumph in Darmstadt deutete sich die Auflösung der profanen Dreieinigkeit „Büttner, Oehlen, Kippenberger“ zum ersten Mal an: Büttner brillierte intellektuell zu stark; Oehlen bohrte tiefsinnig die Oberflächen der Dreigestirnspyramide an und Kippi entfesselte seine asozialen Kräfte in Herrschaftsgesten, die alle territorialen wie Sinnfälligkeitszeichen weiter entkräfteten als bisheriger künstlerischer Terrorismus. Ich kaufte sicherheitshalber bei Max Hetzler in Köln je einen starken Geniewurf von allen dreien: Kippis Mutti in Alterswindeln und Dornen, Oehlens Ich kann beim besten Willen keinen Hitler sehen und Büttners Kottafeln mit Führerportrait (meine Titel nach damaligen Aufzeichnungen auf unseren Tanzkarten). Da Kippi und Oehlen ohne Weiteres zu verstehen gaben, dass sie auf meine Aufhellungen ihres Treibens – „Beleuchtung als Erleuchtung“ – keinen Wert mehr legen wollten, überließ ich die Gemälde der Bohèmedarsteller irgendwelchen Laffen des Kölner Klüngels. Der Grund für die Trennung war wohl, dass ich es gewagt hatte, ihnen mit dem deutschen Kunstschreiber Meier-Graefe zuzurufen, die ästhetische Macht sei inzwischen an den Bildjournalismus übergegangen – und die drei sollten sich demzufolge als solche und nicht als Veredelungskünstler der Banalitäten des Alltags verstehen!
Dieser Ordnungsruf von 1904 beleidigte das Bürgerschreckgespann offenbar, wollten sie doch endlich als große Maler und nicht bloß als nützliche Künstler anerkannt werden; anerkannt von eben den Feuilletonjournalisten, denen zu gleichen, ihren Stolz als Kulturelitisten beleidigt hatte.
Da war Büttner aus besserem Holz, aus deutscher Eiche in Jenaer Grund, im Paradies gezeugt; er nahm die Einsichten Meier-Graefes und Bazon Brocks an. Ich lud ihn ein, zur Ausstellung Die Macht des Alters in Berlin, Bonn und Stuttgart 1998 seine „Maximenbilder“ zu präsentieren: Kreuzwegstationen des Intellektuellen in dürftiger Zeit, beginnend mit dem Anpfiff zu Biographie (1998) und endend mit Der geschuldete Hahn (1997), einem Appell des Sokrates an die hinterbliebenen Schüler und Zeugen seines Todestrunks. Die Kottafeln hängen bis zum heutigen Tag an der Kopffront meines Schreibstübchens in Cronenberg über der Wupper, von wo aus ich stets eine der Großtaten der Menschheit vor mir sehe: Die Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid wurde im „freien Vortrieb“ um die Wende zum 20. Jahrhundert gebaut – freier Vortrieb himmelwärts, von zwei Seiten des Wuppertals aus 107 Meter hoch und 465 Meter breit – freier Vortrieb, Vortrieb in die Ewigkeit, ins virtuelle Feld des bloß Gerechneten! Realisierte Virtualität – Hirn in Stahl und Eisen!
Kaiser Wilhelm, ein Herr der Wissenschaftsförderung und gleichzeitig Leutnantsoperettenregisseur, eröffnete feierlich das „Wunder von Müngsten“ und lud alle Prätendenten von Großtaten zur Nachahmung ein. Einer von ihnen war Adolf Hitler, der den wilhelminischen „Platz an der Sonne“ zu einem Platz in der tausendjährigen Ewigkeit erweitern wollte. Statt Operettentingeltangel genoss A. H. – oder Aha – große Oper à la Bayreuth, also Kulissenzauber im Kleinbürgerdekor. Das heißt, authentisch, also mit echten Leichen und noch blutendem Fleisch. Mit Wilhelm II. befand auch Aha – zwei Großmäuler ohne jede Hemmung: „Was Kunst ist, bestimme ich“, um damit die eigene anale Fixierung, das heißt, auf alles zu scheißen, und das Strukturprinzip des Kotens, das ich die Haufenbildung nenne, zum allgemein verbindlichen Ordnungsprinzip auszurufen.
Büttner portraitierte den Herrn über den Kunstkot der Moderne als Rasierspiegelbild, das ein Nachahmungsprodukt vorrevolutionärer Rokokokoketterie umrahmt. Genialer als Tausende von Hitlerkarikaturisten es zuvor oder nach 1985 vermochten. Die Kothaufen der Scheißkunst strich Büttner auf achtzehn Tafeln in delikatester Peinture: Eine malerische Anerkennung des großen Stoffwechsels, zu dessen höchster Würdigung die Malerei unseren diagnostischen Blick schärft, mit dem wir ärztlicherseits, der Vorsorge wegen, unsere eigenen Ausscheidungen alltäglich betrachten sollten. Besser kann man es nicht zeigen, wollte man zeigen, welchen Nutzen wir von der höchstmögenden Malerei zu machen vermögen. Wir danken unserem Vorführer – Werner Büttner!