Um den Raum als Vorschlag fürs Tapezieren rüder Wohnungswände aus Beton aufzufassen oder als Folterkammer beim Psychotest, fehlt uns die Böswilligkeit. Andererseits hat der Raum zwar eine starke Eigentümlichkeit der Atmosphäre, aber daß sie vollständig die Aufmerksamkeit fesselte, und zwar als Werk eines Künstlers, vermag sich der Laie kaum einzugestehen. Der Kunstfreund in seiner generellen Bereitschaft, die Arbeiten der Künstler weder für willkürlich noch für eine kindische Düpierung des Publikums zu halten, versucht, die Gestaltungseinheiten, die Streifenmuster, in Beziehung zum vorgegebenen Raum zu setzen.
Optisch am interessantesten sind offenbar die Partien, an denen vertikale und horizontale, horizontale und rechtsdiagonale sowie rechts- und linksdiagonale Einheiten zusammenstoßen. Die den Raum definierenden Wände bilden bei ihrem Zusammentreffen Ecken, die normalerweise für die Lesbarkeit eines Raumes entscheidend sind. Merkwürdigerweise haben wir im LeWitt-Raum Schwierigkeiten, diese Ecken auszumachen, denn sie werden durch den Verlauf der Streifenmuster überformt. Darin könnte das Thema liegen. Das Raumgefüge, das die Streifenmuster bilden, stimmt mit dem Raumgefüge, das die Wände bilden, nicht überein, beide sind zueinander verschoben, so daß wir in der Wahrnehmung zwei verschiedene Raumwertigkeiten gegeneinander arbeiten sehen. Frage: Dominiert der Raumeindruck, den die Streifenmuster hervorrufen? Dann brauchen wir ja die Wände unserer Betonhochburgen nur entsprechend anzustreichen, um die Legebatterien-Architektur zu vergessen.
Hat Walter Nikkels, der d 7-Architekt, sich geweigert, die Wände bis zur Decke hochzuziehen und möglichst auch noch Balkon und Versorgungsleitungen zu kaschieren? Der Raum wirkt jetzt fast wie eine Kulisse. Kulissen brauchen Distanz, die hier nicht möglich ist, weil der Betrachter ja den Raum betreten muß. Oder war Sol Lewitt auf etwas ganz anderes aus?