Der arme Laib, ohnehin schmal und zart, ein Werk nur als Hauch spürbar, muß sich hier behaupten zwischen den vier Plakatwandreißern von Clemente und vor den Vergrößerungen Oldenburgs. Alle Verhältnisse der Größe, der Farbe, der Homogeneität seiner blütenstaubtragenden Fläche scheinen zerstört. Aber so ist das, wenn man etwas unbedingt zeigen will, was erklärtermaßen nicht Objekt zupackender Neugier sein kann. Der Widerspruch haftet ja vielem an, was als Gottesdienst in Zeit oder Natur getan wurde; angeblich ganz allein für den Künstler selber, der nicht mehr die Rolle eines Künstlers spielen will, sondern tut, was ihm verbindlich zu sein scheint. Und beispielhaft für andere soll es auch noch sein. Wie denn? Als Einbruch einer anderen Welt in diese kann es sich nicht behaupten; schon etwas Zugluft fegt es hinweg! Ein ewiges Leuchtfeuer im Tempel wie das ewige Licht am Altar? Welchem Gott wird geopfert, wie wird das Licht verstanden? Will man etwas, was man nicht wollen kann?
Da sind die jüngeren Italiener und Deutschen anders eingestellt. Man tut, was man kann und nicht, was man will. Umstandslos arbeiten sie wie andere, atmen an jedem Ort, zu jeder Zeit; auf Reisen, in Indien zum Beispiel wie Clemente. Wenn das Hotelzimmer keine große Atelierwand bietet, verlegt man einfach das Bildfeld in hantierbare Blätter, bearbeitet sie, offen für jeden Einfluß aus der fremden Umgebung. Um so ein Werk dann den europäischen Gepflogenheiten gemäß präsentieren zu können, klebt man die Blätter auf Stoff, und schon hat sich der Fall. Bloß kein Getue. "Sonne, Mond, Hunger, Erde" haben ihren Ort gefunden. Gerade in Indien wird klar, was einen Europäer schreckt: der Mensch schwitzt, scheißt, frißt, hat Angst und dann geht er ab nach oben oder unten, da ist kein Unterschied. In Indien sieht man dergleichen Bilder auf allen Häusern, Autobussen, Kinoleinwänden. Mach' was draus oder laß es bleiben.
Clemente hat etwas daraus gemacht: Eine Persiflage auf die eigene Ikonographie und den eigenen Stil, unverwechselbar. Der ist das Wichtigste für einen Künstler, der noch will, was er kann.
Aus diesen Bildern steigt die Erinnerung an das Gefühl, das sie uns übertragen, nicht wieder aus. Chias "Malerbildnis", das aussieht, als habe er Boccioni beim Porträtieren des gerade malenden Cezanne zugesehen, und Chias "Frühling" haben Übertragungskraft, daß wir kaum wissen, wie uns geschieht. Empathische Übertragung, die in Körper und Seele des Betrachters Zustände herstellt, die denen des Bildes analog sind. Dann sehen wir gar nicht mehr das fremde Bild, sondern spüren und erkunden die merkwürdige Wandlung, die mit uns selbst vor sich gegangen ist. Das ist Bildkraft.