Die Kritik, vor allem die kritische und spezielle Kritik hier als Theaterkritik, kann ihre Herkunft nicht verleugnen. Zauberer, Schamanen und Priester waren Vermittler zwischen den Menschen und den normativen Instanzen, den Dämonen, den Göttern, den Geistern. Im Zuge der Säkularisierung kam diese Rolle der Vermittlung zwischen Menschen und Sachen, ihren Produkten, der Kritik zu. Leider aber in einem ganz bestimmten Sinne nur. Sie wurde zum Richter bestellt darüber, ob im Sinne der reinen Sachimmanenz, im Zuge der Natur der Sache verfahren worden sei oder nicht. Denn nur unter dem absoluten Primat der Sachrichtigkeit konnte sich der Herrschaftsanspruch der einzelnen Verfügungskasten ohne Rücksicht auf die Einsprüche der Menschen durchsetzen. Kritik abstrahierte so einen Kanon von objektiven, immanenten Strukturen und maß die einzelnen Erscheinungen an ihm. Der Grad der Erfüllung wurde in Zensuren ausgedrückt.
Der eigentliche Prozeß der notwendigen Vermittlung wird bis heute von der speziellen Kritik umgangen. Sie weiß noch immer nicht, die Künste als Produktionsmittel einzuschätzen. Sie kann sich selber nicht als Bedingung der Hervorbringung von Theorie begreifen. Sie spielt weiterhin Lehrer im Auftrag; das Urteil über anderes ersetzt ihr jenes über sich selber. Es ist durchaus verständlich, warum die 'bürgerliche' Presse am ehesten über Einsichten verfügt in das, was mit ihr zu geschehen hat. Die Zurückgebliebenheit eines 'Vorwärts' kann sich mit der einer 'Nationalzeitung' aufs Schönste messen. In einem Fall wurden Beuys, Vostell und ich von einer jüdischen Wochenzeitung und einer Faschistenzeitung, unter jeweiliger Berufung der einen Zeitung auf die andere, als Kulturbolschewisten beschrieben. Die gegen uns mehrfach erfolgten Anzeigen wurden gegen die Interessen der speziellen Kritik vonseiten der Staatsanwaltschaften oder Richter eingestellt.