Buch ALPHABET

Lyrik Jahrbuch

ALPHABET, Bild: Lyrik Jahrbuch 1962. Umschlag: Thomas Bayrle.
ALPHABET, Bild: Lyrik Jahrbuch 1962. Umschlag: Thomas Bayrle.

Hrsg. von V.O. Stomps

Mit je 5 Seriegraphien von THOMAS BAYRLE und BERNHARD JÄGER

Numerierte Ausgabe

Erschienen
01.01.1962

Herausgeber
V.O. Stomps

Verlag
Eremiten-Presse

Erscheinungsort
Stierstadt im Taunus, Deutschland

[Wonach ein Mund den anderen wäscht]

[Gedicht]

Wonach ein Mund den anderen wäscht
eine Hand zeig der anderen
mea
maxima
culpa
und der Mond bleibt rund
und der Mund über den Wassern geschlossen
kein Stern heckt einen Angriff aus
und die Horizonte brechen nicht auseinander
der Kreis krümmt sich weiterhin
das Eine schluckt
weiterhin nur Staub
den Abfall
die Krumen
vom Tische des hundezüchtenden Herrn
die leben
und nicht wert sind, daß sie zugrunde gehn
und die Orkane schlafen weiterhin in den enthaarten Achseln
und die Milch bleibt in den Brüsten
das gelbe im Ei
das Innere im Äußeren
das Vergangene im Zukünftigen
die Welt in der Ewigkeit
das Lachen im Hals
der Vogel im Nest
und die Fische wandern nicht aus
und Ideen nisten weiterhin in unseren Köpfen
und das Blut rast weiterhin nur in den Venen
Arterien
quillt nicht über
läuft nicht aus
überschwemmt
und ertränkt nicht
und die Völkerwanderung der Bakterien
und das Gift der Zirbeldrüse
und das Licht wird weiterhin in Kiepen befördert
die Nacht in den Hosentaschen
Gesichter in Medaillons
Griffel in der Faust
und die Kirche bleibt weiterhin im Dorf
die Eulen vor Athen
und man ißt weiterhin nicht so heiß wie man kocht
und dem Reinen bleibt alles rein Wein Weib und Gesang
und es führt weiterhin nur ein Weg nach Küßnacht
und die Wandlungen
die Salzsäulen sind weiterhin biblisch
die Bräute jungfräulich
die Hirsche brünftig
die Zeit zukünftig
die Kühe trächtig
die Dichter prophetisch
die Armeen schlagkräftig
die Währung stabil
und es stinken die Rosen nicht sondern die Not
es schwitzen die Damen nicht
es reden die Stummen nicht
es werden die Armen nicht reich sondern
die Betten weicher
das Leben leichter
die Neger schwärzer
die Himmel höher
die Liebe prächtiger
die Macht lieblicher
die Zähne weißer
die Herzen runder
die Finger länger
das Vergessen gesünder
die Schmerzen erträglicher
die Geburten alltäglicher
die Kartelle einträglicher
die Meere voller
die Speichel milder
und erträglicher erträglicher
und es bleib das Ende immer noch aus
und wer fragt will Antwort
und es will
wer krumm gerade
wer gefallen aufgehoben
wer allein zuzweit
wer tränend getrocknet
wer ein Kind eingewiegt
wer ein Boxer gewogen
wer ein Sekretär Minister
wer Sekretärin will Geliebte sein
wer ein General Direktor
wer ein Mensch ein Mensch allein
und der Zweifel daran bleibt weiterhin unnötig
die Kunst anarchistisch
der Genickschuß tödlich
der Ehebruch sündig
die Ehrfurcht unterbötig
die Partei höchst wichtig
die Moral gerichtlich
James Joyce unzüchtig
Rasputin unermüdlich
Napoleons Söhne unauffindlich
und der Schöpfer bleibt geschichtlich
weil er vermutlich doch nackt ging auf dem Kopfe
und wer bewegt bleibt bloß ein unbegründeter Verdacht
nein sagt nur wer mit dem Kopfe doch schon wackelt
zittert
und wer bohrt
fordert
ändert peitscht zerreißt entzweit
wer Grenzen schiebt
und Blumen in ein Nasloch pflückt bleibt weiterhin verrückt
versteht sich
er gehört vor die Ungeschichtlichen getragen
die in ihren Zirkuslogen zahme Monumente kauen
und damit sie auch mal leiden ihre Kreatur verschneiden
erhalten dann
ein Wort im Anfang und ins Zuchtbuch ein verschobenes Kreuzchen
womit man was beweisen kann †
und sodann auch weiterhin und
und die Hoffnung auf kein Ende

† wenn also alle Begeisterung
morgendlich ist, so gilt es spät aufzustehen

ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 1/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 1/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 2/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 2/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 3/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 3/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 4/4.
ALPHABET 1962, Bild: Wonach ein Mund..., 4/4.

siehe auch: